Der gute Hirte

Predigt zum Nachlesen von P. Bernhard Heindl SJ, 4. Sonntag der Osterzeit

Symbol

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Vor dem „Goldenen Dachl", eine ausgezogene Radioantenne mit einer bunten Schleife am Ende oder ein hochgehaltener Regenschirm und eine Gruppe Menschen, alle mit dem gleichen Sonnenhütchen und meist mit einem Knopf im Ohr, um den Ausführungen der Fremdenführerin, des Fremdenführers unangestrengt lauschen zu können. Am Abend beim Wein keine einhellige Meinung: Er, sie mache das ganz gut. - Man habe schon bessere erlebt, viel zu viel Information. - Hirten aus der Lebenswelt von heute, die ihre kleine Herde zielsicher durch Innsbruck führen.

Jesus, ein, ... der gute Hirte, wie er von sich selbst sagt. Aber wie nicht anders zu erwarten, keine einhellige Meinung! Wir haben nicht die ganze „Guten-Hirten-Rede" Jesu gehört, mittendrin bemerkt der Evangelist einmal selbst: „Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte." (10,6) Und am Ende heißt es gar: „Wegen dieser Worte kam es unter den Juden erneut zu einer Spaltung. Viele von ihnen sagten: Er ist von einem Dämon besessen und redet im Wahn. Warum hört ihr ihm zu?" (10,19f)

Der gute Hirte, kein Idyll, wenig Romantik. Wir übertragen das Thema auf geistliche Berufungen und auf das Priestertum, am sog. „Guten-Hirten-Sonntag". Kein Idyll, wenig Romantik! Haben die Hirten nicht selbst für verbrannte Erde gesorgt, auf der so schnell nichts wachsen möchte? Jesus erwähnt Diebe und Räuber in seiner Rede, die stehlen, schlachten, vernichten. Sicherlich kannte er die längere Hirtenschelte beim Propheten Ezechiel: „Weh den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Müssen die Hirten nicht die Schafe weiden? ... Siehe, nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe aus ihrer Hand zurück. Ich mache dem Weiden der Schafe ein Ende. Die Hirten sollen nicht länger sich selbst weiden: Ich rette meine Schafe aus ihrem Rachen, sie sollen nicht länger ihr Fraß sein." (34,2.10)

Das Versagen der Hirten, damals, heute, traurige Kapitel in Religionsgeschichte, die belastend, empörend, beschämend sind! Und doch gibt es die bleibende Sehnsucht in uns nach „Hirten" oder den Wunsch, behütet, geleitet und begleitet zu sein. Jedes Jahr an Karfreitag geht es mir unter die Haut, wenn wir aus dem Propheten Jesaja hören: „Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg." (52,6) Jemand folgen, der einen Hirtenstab erhebt, das ist nicht in sich schon ein Zeichen von Entmündigung und Trägheit. Es kann die anerkennende Erfahrung sein, dass man gemeinsam schneller an ein Ziel kommt, es kann das Eingeständnis sein, dass wir soziale Wesen sind, die in störrischer Vereinzelung ihren Wesenskern verfehlen oder zumindest nicht unbedingt besser vorankommen.

Was war es nun genauer, weshalb ein Teil der ersten Hörer der „Gute-Hirten-Rede" Jesus für besessen und wahnsinnig hielt? Die, die Ärgernis nahmen, haben sich nicht an der Lebensweise Jesu gestört und seine Lauterkeit angefragt, ob er sich wirklich gut um die Schafe kümmere? Jesus, nach allem, was wir wissen, zölibatär lebend und dem Familienbande nicht das Heiligste waren, der sie für Gott sogar wiederholt in Frage stellt, seine Lauterkeit war nicht das Thema der Empörung. Es war seine Legitimation, die Begründung, die Jesus gab, weshalb er der gute Hirte ist, die zur Spaltung führte. Seine selbst gegebene Beglaubigung als guter Hirte wurde als skandalös, als ärgerlich empfunden: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen." (10,17f)

Jesu enge Gottverbundenheit oder Jesu Gewissheit, dass seine existentielle Lebenshingabe „gottgefällig" ist, wurde als anmaßend und abstoßend empfunden. Berufung, ein bleibend streitbares Thema: Ich kann jede Lebenswahl, jeden Beruf berechtigt Berufung nennen, wenn ich sagen will, dass ich bei meiner persönlichen Entscheidung Gott im Spiel glaube. Der Glaube, dass ich mich ganz von und ausschließlich für Gott gerufen weiß, dass Gott meine Berufung und mein Beruf ist, ist schwerer zu begründen. Und doch, so verstehe ich die biblischen Zeugnisse: Es gibt eine gottgewollt Berufung im engeren Sinn, die die Wahlmöglichkeit der Gerufenen einschränkt, eine Berufung, die ganz und ausschließlich auf Gott hinzielt.

In der Diakonenweihe heißt es: „Seid ihr bereit, nach dem Bild und Beispiel Christi, dessen Leib und Blut euch zur Ausspendung anvertraut wird, euer eigenes Leben zu gestalten?" Auch ein Satz, der mir unter die Haut ging! Bin ich dazu fähig, glaube ich, dass genau dies für mich gottgewollt ist? „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe ...", hörten wir Jesus im Evangelium sagen und er meint eine existentielle Lebenshingabe, in der er ganz aufgeht. Ist es vermessen, gleichsam „all inclusive" Jesus zum Vorbild und Beispiel für das eigene Leben zu machen? Das ist nicht leicht zu begründen vor sich und anderen.

Berufung, man kann sich freuen, erschrecken oder sich darüber ärgern, dass Gott die Wahlmöglichkeiten mancher Menschen auf sich hin einschränkt. Und ja, wir sollten nicht aufhören über Weihezulassungsbedingungen zu diskutieren, damit alles, was entschieden wird, nichts von dem Glauben wegnimmt, dass Gott eine Lebenshingabe, ein Leben ganz und gar für ihn, wohlgefällig ist. - Amen.


Bild: Beichtzimmer Jesuitenkirche, Heindl

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