"Vergebungsorte", Jesus, der neue Tempel

Predigt zum Nachlesen von P. Bernhard Heindl SJ, 3. Fastensonntag

Symbol

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Der Tempel in Jerusalem, der Schauplatz des heutigen Evangeliums, ein gigantischer Monumentalbau! Das Tempelareal hatte ein Fläche von 140.000 Quadratmetern, das sind 19 Fußballfelder! Unvorstellbar! Ich habe eine Vorstellung erhalten über das sog. Holyland-Modell in Jerusalem, ein maßstabgetreues Stadtmodell Jerusalems zur Zeit Jesu. Man kann um das Modell herumgehen und sieht die einzelnen Viertel Jerusalems zur Zeit Jesu, die Stadtmauer, die alles umgibt und den Tempelkoloss, der auf einem künstlich aufgeschütteten Platteau über der Stadt thront und das gesamte Stadtbild beherrscht!

Es ist optisch eingelöst, wofür der Tempel stand: für die Herrlichkeit Gottes! Der Tempel, ein Sinnbild für die Größe Gott. Doch neben dieser Schauseite gibt es für mich einen tieferen, bedeutsameren Gehalt, wofür der Tempel stand: Er war Ort der Sühne und der Versöhnung mit Gott und untereinander. Es war der kollektiv geglaubte Ort, an dem aus Chaos wieder Kosmos werden konnte, aus Durcheinander heilige Ordnung, denn Kosmos heißt Ordnung, Schmuck. Es war der Ort, den man aufsuchte, damit eine aus den Fugen geratene Welt wieder in geordnete Bahnen finden sollte.

Die Menschen damals hatten ein sensibles Gespür dafür, dass ihr Verhalten Folgen zeitigte für alle. Eine Welt, der Gutes vorenthalten wird, in der zu viel in die Negativbilanz investiert wird, gerät aus den Fugen! Und sie hatten einen gemeinsamen Ort, um gegenzusteuern, einen heiligen Ort, der die Welt wieder ins Lot bringen konnte! Alles, was in Unordnung geraten war, konnte dort, Reue vorausgesetzt, in einem festgelegten Vorgehen nach heiliger Ordnung, in Ritualen, wieder in Ordnung gebracht werden. Uns mögen die Kultvorschriften des Jerusalemer Tempels sonderbar anmuten, die Menschen damals sahen tiefer, sie sahen in den Ritualen, die nach festgelegter Ordnung zu vollziehen waren, Symbolhandlungen für ihren Wunsch, dass auch die Welt wieder in Ordnung kommen möge und sie Läuterung erfahren durften.

Heilige Orte und Rituale, die uns Vergebung vermitteln, zusagen, weil Selbstvergebung oft kraftlos bleibt. Heilige Orte, Rituale: Immer wenn wir Eucharistie feiern, glauben wir auch, dass diese Feier der Welt Gutes tut, weil wir in ihr Vergebung zugesprochen bekommen und als mit Gott Versöhnte hinausgehen. Anders gesagt: Die Vergebung die wir hier geschenkt bekommen, gibt uns die Kraft, Versöhnung in die Welt zu tragen, in eine Welt, die wahrlich nicht sagen kann, dass sie keine Versöhnung bräuchte!

Vergebung, Versöhnung, das ist religiöses Erfahrungswissen, braucht Vermittlung, braucht Vermittler, das erlösende, befreiende Wort kann ich mir nicht selbst zusprechen! Es muss mir zugesprochen, in einem Ritual gefeiert werden, Selbstvergebung, die ich allein mit mir und Gott ausmache, bleibt oft kraftlos! Die Priester im Tempel waren Vermittler, sie traten stellvertretend für andere vor Gott hin und durften im Namen Gottes Schuld aufheben, sie vermittelnden Heil. Für uns ist Christus zum obersten Mittler geworden ... oder anders, mit dem heutigen Evanglium gesagt, Christus ist für uns zum Tempel geworden, er ist der bleibende Vergebungs-, Versöhnungs-„ort", das ist für mich der Sinne der Worte Jesu: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten, die er nach der Tempelreinigung an seine Zeitgenossen richtet, die ein Zeichen dafür fordern, dass er an diesem heiligen Ort so auftreten, sich so gebärden darf. Er erklärt sich als bleibenden Heils-, Vergebungs-, Versöhnungsort! Er ist fortan, über seinen Tod und sein Auferstehung, der Ort, der eine aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung bringen kann!

Paulus sagte es in der Lesung:
Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit. - Christus ist der Kraftort, der uns Heil, Vergebung, Versöhnung vermittelt. Natürlich, auch unvermitteltes Heil, direkte Bereinigung, Begleichung von Schuld, die ich mit Gott alleine ausmache, ohne jedwede Vermittlung, ist möglich, aber sie bleibt weit öfter hehre, erhabene, beeindruckende Idee, als existentielle Veränderungskraft. Selbstvergebung läuft leichter Gefahr nur Selbstbeschwichtigung zu sein und kraftlos zu bleiben! Das erlösende Wort kann ich mir nicht selbst sagen, es muss mir zugesprochen werden, es ist wirkungsvoller, wenn es mir zugesprochen wird.

Christusbegegnung, jede sakramentale Feier will uns genau das vermitteln, ermöglichen, jede sakramentale Feier eröffnet uns Zugang zu einem Kraftort über uns hinaus und nicht nur für uns, sondern für das Heil der Welt! Jede sakramentale Feier will dazu beitragen, dass für uns und für die Welt aus Chaos wieder Kosmos, aus Durcheinander Ordnung wird, das ist Auftrag von Kirche, den es nicht zu reduzieren, zu verkleinern gilt!

Tempelreinigung, es braucht sie, ...
wenn wir Kirche zu einem Ort für privaten Seelenfrieden machen, denn das ist zu wenig, das ist zu klein!
Tempelreinigung, es braucht sie, ...
wenn wir Kirche auf einen Ort stimmigen Gemeinschaftsgefühls reduzieren, denn auch das ist zu wenig und zu klein gedacht von Gott!
Tempelreinigung, es braucht sie, ...
wenn wir die Gemeinschaft des Glaubens, Kirche zum Ort kirchenpolitischer Selbstbeschäftigung verkümmern lassen.

Tempelreinigung, mir wäre wichtig: Das hier muss ein Ort bleiben, an dem wir möglichst groß von Gott denken! Ein Ort, an dem wir gemeinsam an Erlösung und Vergebung glauben, sie uns zusagen lassen und in die Welt tragen, damit eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, über die Kraft des Glaubens wieder in geordnete Bahnen finden kann. - Amen.


Bild: Heindl SJ

mitteilen

Share Tweet Mail Whatsapp Xing LinkedIn

Adresse

Karl-Rahner-Platz 2
6020 Innsbruck
+43 512 5346-0

Kontoverbindung: Jesuitenkolleg Innsbruck
Raiffeisen Landesbank Tirol
IBAN: AT35 3600 0000 0350 5500

Jesuit werden

Wir sind Ordensleute aus Leidenschaft für Gott und die Menschen.

mehr dazu

Suche

ImpressumSitemapDatenschutzPräventionKontaktLogin

Impressum
Sitemap
Datenschutz
Prävention
Kontakt
Login

Jesuiten-Logo

Jesuitenkirche Innsbruck

powered by webEdition CMS